Am 17. Mai fand der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) wieder statt, in Wien prominent mit einer Demonstration entlang der Inneren Mariahilfer Straße. Dass dieser Tag weiterhin notwendig ist, zeigt unter anderem die Berichterstattung der Medien von Nemo und dass Nemo den ESC dieses Jahr gewonnen hat. Eine Thematik, die auch in der Rede von unserem Vereinsmitglied Pepper hervorgehoben wurde:
Hi, ich bin Pepper von Venib bzw. der Genderklage und ich versuche sonst immer, was halbwegs Lustiges zu erzählen, aber die Dinge, die grade passieren, sind so jenseitig, dass das nicht mal mehr ich sie irgendwie lustig verpacken kann.
Wir reden also wieder einmal über Sprache: Der deutschsprachige Raum tut gerade so, als hätte man das erste Mal was von Pronomen gehört. Noch viel absurder ist der Umstand, dass die Medien völlig überrascht und überrumpelt sind. Ersten, waren wir schon immer da, es war ihnen nur einfach scheißegal,
zweitens sind zumindest inter* Leute seit 2018 rechtlich anerkannt, sie haben es also außerdem verschlafen. Drittens beschäftigen sich sowohl queere Organisationen als auch die Forschung, wie z.B. das Projekt Genderfair der Uni Wien – wo wir sogar dabei waren -, mit der Frage nach gerechter Sprache, es scheint nur wiederum niemanden zu kümmern. Zu guter Letzt mischt sich auch noch die Politik ein und macht – wie könnte es anders sein – alles schlechter, in dem respektvolle Sprache einfach mal pauschal verboten wird.Dazu möchte ich euch einfach mal einen Absatz von Verfassungsblog.de zur deutschen, aber unserer durchaus ähnlichen Lage vorlesen: “Es ist wohl Zeit für die Einsicht, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung konzeptionell ungeeignet sein könnte, zu nicht-diskriminierender Amts- und Rechtssprache beizutragen. In keinem anderen Bereich würde eine Beobachtung dahingehend, dass staatliches Handeln (noch) nicht mehrheitlich verfassungskonform ist, zu der Schlussfolgerung führen können, dass dann wohl die Verfassung nicht gilt. Im demokratischen Rechtsstaat steht der Minderheiten- und Diskriminierungsschutz gerade nicht unter dem Vorbehalt, das Wohlgefallen der Mehrheit zu finden. Dies ist auch das grundlegende Missverständnis, welches den Volksbegehren gegen geschlechtergerechtes hoheitliches Sprachhandeln zugrunde liegt und von einigen politischen Parteien nach Kräften gefördert wird.”
Diskussionen über Geschlechtergerechte Sprache sind quasi die Reinkarnation der Diskussionen über mehrsprachigen Ortstafeln. Nur, dass geschlechtliche Minderheiten im Gegensatz zu sprachlichen Minderheiten noch schlechter geschützt sind.
Um auf die Pronomen Diskussion zurückzukommen: Es ist ein Makel der deutschen Sprache, keine etablierte Möglichkeit zu haben, sich geschlechtsneutral ausdrücken zu können. Das betrifft nicht nur geschlechtliche Minderheiten, sondern alle, nämlich insbesondere dann, wenn das Geschlecht der Person, über die gesprochen wird, unbekannt oder irrelevant ist. In der Vergangenheit hat das Patriarchat das generische Maskulinum über das Problem darüber gebügelt. Diese Zeiten sind vorbei. Und mit Nemo hat nicht-binarität endlich auch mal bisschen Reichweite bekommen.
Die Diskussion und Berichterstattung wiederum ist unglaublich respektlos. Einige Medien misgendern einfach direkt, andere schreiben zwar etwas übers nicht-binär sein, misgendern dann aber trotzdem,
wieder andere begründen ihr misgendern sogar noch. Dann gibt es auch noch Journalist*innen, die einen ganzen Artikel spendieren, um zu jammern, wie arm sie sind und wie schwer ihr Leben ist, wenn sie keine Pronomen verwenden können. Den Namen als Pronomen zu benutzen, sei außerdem unelegant. Dass einfachere Satzstrukturen auch verständlicher und inklusiver sind, davon fange ich gar nicht erst an.Dann gibts noch Medien, die irgendwas über das Geburtsgeschlecht von Nemo schreiben. Da muss ich dann auch gleich direkt kotzen. Das Geburtsgeschlecht wird zu so einer Pseudo Wahrheit erhoben, wie das “biologische” Geschlecht. Frei nach dem Motto, jaja du kannst ja sagen was du willst, aber wir wissen es eh besser. Es bleibt wieder an uns als Minderheit hängen zu erklären und hinzuweisen, aber auch das ist schwierig. Wenn du jemanden sagst, dass Andrea ein Mann aus Italien ist, verwenden die Leute halt „er“ statt „sie“ als Pronomen und entschuldigen sich vielleicht. Wenn du sagst, dass Nemo kein Pronomen benutzt, bekommen die Leute Schnappatmung und fangen zum Schwurbeln an.
Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr, mit irgendwem zu reden, aber mein Main Skill ist lästig-sein. Rhonda ist unsere gute Seele bei Venib und kümmert sich auch darum, dass ich nicht die falschen Bäume anbelle. Wir führen aktuelle strategische Klagen im Personenstandsrecht, Gleichbehandlungsrecht und Datenschutzrecht und sind auch in Austausch mit anderen EU Ländern, allen voran Deutschland, aber jetzt auch Spanien, die haben nämlich eine progressive Datenschutzbehörde. Wir klagen jetzt auch gegen die TU, die es seit 4 Jahren nicht schafft aufzuhören Leute zu misgendern, wir klagen gegen Konzerne, die es nicht schaffen, Rechnungen oder Tickets ohne Anrede auszustellen. Wir haben jetzt auch noch weitere Verfahren bezüglich Recht auf Verwendung des selbstgewählten Namens und wollen zusammen mit Spanien schauen, ob wir die Verarbeitung von Geschlechtseinträgen überhaupt einschränken können. Und wenn alles gut geht, dann kommt im Sommer die Umkleidekabinen und Toilettenfrage dran. Je nachdem welche Regierung wir dann haben, wird der Weg noch ein langer oder sehr langer.
Heute dazu gekommen ist ein Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft, mit dem sich Betroffene an Unternehmen wenden können, wenn nur binäre Geschlechter oder Anredeformen zur Auswahl stehen. Wir werden zur Teilnahme auch noch auf Insta aufrufen und eine Liste mit Firmen erstellen!
Es gibt viel zu viele Firmen, die LGBTQ+ als Marketingthema verstehen und nicht begreifen, dass es ein Compliance Thema ist. Wenn sie es nicht von uns hören wollen, müssen es ihnen eben Anwält*innen erklären. Ich frage mich auch, wie die Hosis dazu stehen, dass Unternehmen an der Pride teilnehmen, die sich in einem Rechtsstreit mit uns befinden oder bald befinden werden. Falls ihr Jurist*innen kennt oder seid, die sich aktivistisch engagieren wollen, schickt sie auch gerne zu uns.
Schließen möchte ich mit Worten von Felix: Gleichberechtigung fängt im Wohnzimmer an.
Seid die eine queere Person in der Familie, die lästig ist. Als nicht-binäre Person einfach zu existieren, zählt schon als Aktivismus!